Peru ist stark betroffen von der Corona-Pandemie. Bis mindestens Ende Oktober gelten in vielen Gebieten immer noch Ausgangssperren. Das Gebiet Apurímac gehört zu den besonders stark betroffenen. In diesem Gebiet fördert unser Partner «Paz y Esperanza» Ausbildungen für Jugendliche. Tagsüber darf das Haus nur für dringend notwendige Lebensmitteleinkäufe verlassen werden. Von 23.00 - 4.00 Uhr ist es komplett untersagt vor die Tür zu gehen. Private Fahrzeuge zu benutzen ist ebenfalls verboten. Fernbusse zwischen den Provinzen haben den Fahrplan wieder aufgenommen, der Tourismus wird langsam wieder angekurbelt. Wann Präsenz-Unterricht wieder stattfinden kann, ist noch offen. Für viele bedeuten diese drastischen Massnahmen grosse Veränderungen und Isolation. So auch für Ricardo.
Ricardo gibt nicht auf
Ricardo ist schon im fünften und somit letzten Modul seiner handwerklichen Ausbildung. Kurz vor der Zielgeraden bremst ihn Corona aus. Seit März 2020 findet kein Präsenz-Unterricht mehr statt. Einzelne Fächer finden online statt, leider ist das für die sehr praxisorientierten Fächer aber nur bedingt möglich. Für Ricardo ein herber Schlag. Er wohnt allein in einem gemieteten Zimmer. Seine Familie lebt über 300 km weit weg, in Cusco. «Ich vermisse meine Familie und meinen Ausbildungs-Begleiter sehr. Ich hätte so gerne normalen Unterricht», erzählt Ricardo. Zusätzlich erschwerend ist, dass er nun neben Miete und Essen auch noch viel höhere Handykosten hat. Damit er die Online Lektionen anschauen kann, muss er zusätzliche Internetpakete auf sein Handy laden.
Das ist allerdings nicht die erste Krise in Ricardos jungem Leben. Ricardo hat im Alter von zwei Jahren seine Mutter verloren. Später heiratet sein Vater erneut. Die Familie lebt in Cusco. Da sie nicht genug zum Leben haben, zieht die Familie nach Andahuaylas. Für Ricardo öffnet sich damit eine Tür. Er kann eine handwerkliche Ausbildung als Schreiner starten. Doch für die Familie bringt der Umzug nicht den gewünschten Aufschwung. Sie entscheiden sich wieder zurück nach Cusco zu gehen. Ricardo steht mitten in seiner Ausbildung, was soll er tun? Er entscheidet sich allein zurückzubleiben. Er möchte seine Ausbildung unbedingt abschliessen. Sein Vater schickt ihm, wenn immer möglich, etwas Geld. Ricardo versucht zudem durch kleine Nebenjobs noch etwas Geld zu verdienen. Im Moment ist das zusätzlich schwierig.
Ricardo lernt gerne und er versteht schnell, dass das Fachwissen als Schreiner ihm gute Jobchancen bieten kann. In der Nähe gibt es ein grosses Holzlager. Ricardos Ziel ist es, dort später eine feste Anstellung zu bekommen. Aber das ist nur eine Etappe seiner beruflichen Laufbahn: «In der Schule habe ich auch gelernt, was es heisst ein Unternehmer zu sein. Ich sehe mich bereits jetzt als Unternehmer und freue mich auf meine Zukunft in der Arbeitswelt.»
In der praxisnahen Ausbildung hat Ricardo dank unserem Partner auch gelernt über gesellschaftliche und politische Zusammenhänge nachzudenken. Dabei hat er seine Leidenschaft für Politik entdeckt. Seine Hauptanliegen, für die er sich einsetzten will: Gleichberechtigung und die Rechte von besonders Schutzbedürftigen. Und er sieht viel Potenzial für die zukünftigen Generationen. «Es ist mein Anliegen, dass noch viele Jugendliche von dieser Ausbildung profitieren können. Denn ich bin überzeugt: Wenn wir Jugendliche ermutigen, Träume und Visionen zu haben, erkennen sie ihr Potenzial und können in ihre Berufung hineinwachsen.»
Im Moment wird es nicht möglich sein, praktische Prüfungen abzulegen. «Paz y Esperanza» hat sich aber eine Lösung überlegt. Sie möchten den Jugendlichen ermöglichen die Prüfungen in den Sommerferien 2021 nach zu holen. Ricardo ist zuversichtlich und geduldig und investiert seine Zeit und Energie in Zeichnungen, wie die oben, die andere Jugendliche inspirieren soll.
Auch Coco trotzt Corona
Coco ist im 5. Modul der Ausbildung zum Automobil-Mechaniker im CETPRO. Er hat sich zu Beginn der Pandemie-Zeit entschieden, zurück in die Heimat zu seinen Eltern zu gehen. Sie leben nur ca. 30 km entfernt in einem kleinen Dorf. So ist er nicht völlig isoliert und kann zu Hause mithelfen. Der Nachteil ist, dass die Internetverbindung in der ländlichen Gegend sehr schlecht ist. Coco bezahlt viel für seine Internet-Pakete. Coco: «Diese Zeiten sind sehr schwer für mich. Der Unterrichtsstoff wird mir per WhatsApp zugeschickt. Oft ist das Internet überlastet und ich kann auch keine Rückmeldungen geben. Damit Coco die Internetkosten zahlen kann, hilft er zu Hause auf dem Bauernhof. Zu Beginn der Corona-Zeit hat er noch zusätzlich als Chauffeur mit dem Mototaxi Geld dazu verdient. Er hatte grosse Angst davor, sich mit dem Virus anzustecken. Seit Peru die komplette Ausgangssperre verhängt hat, ist dieser Nebenverdienst nicht mehr möglich. Er freut sich schon jetzt darauf, wenn er endlich wieder in den Unterricht kann. «Ich habe schon als kleiner Junge davon geträumt, Fahrzeuge zu reparieren. Nun darf ich lernen wie man es richtig macht und ich erhalte viel Fachwissen», sagt Coco.
Hoffnungsträger stecken an
Es ist eine grosse Freude zu sehen, wie die zwei Jungs, Ricardo und Coco, es kaum erwarten können, wieder in den Unterricht gehen zu können. Ihre Begeisterung zieht Kreise. Und so tragen sie aktiv dazu bei, dass die handwerklichen Ausbildungen, welche unser Partner fördert, immer mehr Anerkennung finden in der peruanischen Bevölkerung.
Von Claudia Hedinger nach Angaben von Madleina Walti und unserer Partnerorganisation Paz y Esperanza