«Ich war 14 Jahre alt als mir meine Mutter etwas sagte, was mir den Boden unter den Füssen wegriss. Ich war nicht ihre Tochter, sondern «nur» adoptiert. Ich war so wütend und traurig, warum hatte sie mir das nie vorher gesagt? Mein Vater, ihr Ex-Mann hatte unsere kleine Familie schon viele Jahre zuvor im Stich gelassen. Ich war enttäuscht und voller Groll. Ich war wütend auf alle, fühlte mich betrogen». Dayana fliessen Tränen über die Wangen, als sie das erzählt. Die Zeit heilt alle Wunden? Dayana hatte es sehr verletzt, dass sie so viele Jahre mit einer Lüge gelebt hatte. Es dauerte einige Jahre, bis sie diese Verbitterung loslassen konnte. Die Tatsache, dass sie sah, wie sehr ihre Adoptivmutter sie liebte und an ihre Talente glaubte, halfen Dayana dabei, die schwere Frage «Wo gehöre ich dazu» hinter sich zu lassen. Mit 17 schloss sie die reguläre Schulzeit ab. Da ihre Adoptivmutter allein für die Familie sorgte, reichte das Geld leider nicht für ein Studium. Dayana: «Für mich war meine Zukunft gesetzt: Ich helfe meiner Mutter in ihrem kleinen Geschäft. Sie stellt das typisch peruanische Getränk «Chicha de Jora» her und verkauft dieses in der Nachbarschaft. Doch meine Adoptivmama bekräftige mich immer wieder, ich solle mich weiterbilden und meine Träume verwirklichen. Sie sah wie gern und gut ich Freundinnen frisierte und überzeugte mich schliesslich, mich in einem CETPRO anzumelden. Ich schrieb mich also ein für eine Ausbildung als Kosmetikerin.
Sprung ins Wasser
Als ich mich für die Ausbildung als Kosmetikerin anmeldete, war ich sehr unsicher und glaubte kaum an meine Talente. In zwei Workshops von Paz y Esperanza verstand ich meine Einzigartigkeit und lernte mich besser kennen und lieben. Ich realisierte, dass ich meine Ziele erreichen kann, wenn ich verantwortungsbewusst und ausdauernd bin. Nun weiss ich, dass ich eine ausgezeichnete professionelle Beauty-Stylistin werden kann», sagt Dayana mit einem Strahlen im Gesicht.
Lukrativer Nebenjob
Ein paar harte Jahre liegen hinter ihr aber nun freut sie sich auf das was kommt. Da der Unterricht im CETPRO jeweils Montag bis Samstag nachmittags stattfindet, sucht sich Dayana einen Job für die Vormittage. Und sie wird fündig. Sie kann jeweils am Morgen in einem Coiffure-Salon mitarbeiten. Dort kann sie das Gelernte direkt anwenden und verdient ein kleines Taschengeld von 150 Soles (ca. 36 Franken) im Monat. Damit bezahlt sie die Busfahrten ins CETPRO und schafft sich bereits erste Beauty-Werkzeuge an.
Ich bin der Schlüssel zum Glück
«In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass in mir selbst die Fähigkeiten schlummern, um im Leben weiterzukommen. Es ist meine Leidenschaft Menschen schön zu machen, z. B. mit einem passenden Haarschnitt. Die Fertigkeiten dafür lerne ich hier im CETPRO. Heute blicke ich versöhnt in meine Vergangenheit. Ich bemühe mich, im Unterricht und bei der Arbeit pflichtbewusst zu sein und meiner Adoptivmutter in ihrem Geschäft zu helfen, wenn ich Zeit habe. Ich habe meine Lebensgeschichte akzeptiert und mich bei meiner Adoptivmutter für die hässlichen Dinge entschuldigt, die ich zu ihr gesagt hatte in meiner Wut. Jetzt verstehen wir uns wieder sehr gut», schliesst Dayana.
Ziel in Sicht: Menschen verschönern
Die gleiche Leidenschaft wie Dayana trägt auch Yamila (2. Bild) in sich. Schon seit sie ein kleines Mädchen ist, liebt sie es ihren Freundinnen Frisuren zu machen. Alle merken rasch, sie ist sehr talentiert. Als sie zusammen mit einem Freund am CETPRO vorbei geht, sieht sie durchs Fenster den Beauty-Salon und ist hin und weg. Sie erkundigt sich darüber. Und sie erfährt das Unfassbare: Das ist ein Salon für Jungs und Mädels, die diesen Beruf lernen wollen, sie ist Feuer und Flamme. Doch es folgt die grosse Enttäuschung: Sie ist mit ihren 13 Jahren noch zu jung, das CETPRO nimmt Jugendliche erst ab 14 Jahren auf. Die Altersgrenze bezweckt, dass die Kinder sich voll auf die reguläre Schule konzentrieren. Die nette Frau, die ihr alles erklärt, vertröstet sie noch ein Jahr zu warten. Doch Yamila lässt es nicht mehr los, sie möchte in diesem schönen Salon Haare schneiden. Sie hat gute Schulnoten und überzeugt schliesslich die Mutter und die Lehrpersonen, dass sie diese Doppelbelastung meistern wird. Yamila: «Ich habe meine Zeit gut organisiert und ich werde alles tun, um mein Ziel zu erreichen. Wenn ich erst mal Stylistin bin, kann ich damit Geld verdienen und meinen Eltern helfen unsere Familie zu versorgen.» Ihre Eltern haben Gelegenheitsjobs und die 6-köpfige Familie lebt in einem einzigen Zimmer bei der Grossmutter. Yamila: «Wir haben nicht viel Geld, aber wir sind glücklich mit dem, was wir haben».