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#ChatBox: Letzte Station Nemo

Ja, es gibt sie: Menschen, die in der Schweiz in Armut leben und nicht wissen, wo sie die Nacht verbringen sollen. Darja Baranova hat tagtäglich mit Jugendlichen zu tun, die aufgrund von Armut, häuslicher Gewalt oder vielschichtiger Probleme auf der Strasse landen und im Nemo eine Insel der Erholung finden.

Darja Baranova arbeitet in einem unscheinbaren Einfamilienhaus in vorstädtischen Friesenberg. Die Hausfassade ist in einem unauffälligen Beige gestrichen und ein typischer Quartiergarten umrundet das Grundstück. Nur ein kleines Plakette an der Hauswand weist aus, dass es sich hier um kein gewöhnliches Haus handelt: In diesem Haus befindet sich das Nemo, die Notschlafstelle für obdachlose Jugendliche.

«Ab 17.00 Uhr kann man klingeln»

Das Nemo nimmt 365 Tage im Jahr Jugendliche im Alter von 16-23 Jahren auf, die keinen Ort zum Übernachten haben. Im Nemo wird jede und jeder in Not ganz unkompliziert aufgenommen, sofern die Jugendlichen über einen geklärten Aufenthaltsstatus verfügen. «Ab 17.00 Uhr kann man klingeln, wir lassen die Person rein. Sie kriegt frische Bettwäsche und kann in ihr Zimmer gehen und das Bett beziehen.» Zu essen kriegen sie natürlich auch, ebenso warmes Abendessen und Frühstück, wenn gewünscht. Sozialpädagogen/innen und Jugendsozialarbeiter/innen kümmern sich während des ganzen Aufenthalts der Jugendlichen nebst dem leiblichen auch um das seelische Wohl der Übernachtungsgäste. «Wenn die Jugendlichen das Bedürfnis haben zu reden, dann sind wir da», so Darja.

«Dann kommen sie schon mit einem gewissen Rucksäckli»

Das Leben auf der Strasse sei mit sehr viel Stress verbunden. Man müsse jeden Tag viel organisieren: Wo schlafe ich? Wo kriege ich das Essen her? Die Jugendlichen seien deshalb meist müde und ausgelaugt, wenn sie ins Nemo kommen. «Was mich dann besonders freut, ist, wenn ich sehe, wie sie sich erholen und motiviert sind, an ihrer Situation zu arbeiten», erzählt Darja. Das Nemo ist also nicht nur eine Erholungsinsel im stressigen Alltag, sondern auch ein Sprungbrett in eine veränderte Zukunft. Umso mehr bedauert Darja, dass viele Jugendliche erst spät auf die Notschlafstelle aufmerksam werden: «Dann kommen sie schon mit einem bestimmten Rucksäckli. Hätten sie früher gewusst, dass es Nemo gibt, hätte man gewisse Sachen vermeiden können.»

«Es fängt schon mit dem Bewusstsein an, dass es in der Schweiz Jugendliche gibt, die auf der Strasse schlafen»

Darja hat eine unerwartet einfache Antwort darauf, wie Herr und Frau Schweizer einen Unterschied für Menschen in Armut machen können. Sie sagt: «Es fängt schon mit dem Bewusstsein an, dass es in der Schweiz Jugendliche gibt, die auf der Strasse schlafen.» Eine grosse Chance sieht sie deshalb in der Aufklärungsarbeit, sodass zum einen Jugendliche, die Hilfe und einen Schlafplatz brauchen, zum Nemo finden, aber ebenfalls, dass jede und jeder weiss, dass Armut auch in der Schweiz real ist und wortwörtlich vor der eigenen Haustüre anzutreffen ist. Wenn man nur hinschaut.

 

Die Armut in der Schweiz nimmt seit 2014 zu. Corona, Teuerungen und andere Krisen haben die Situation altersunabhängig für viele Menschen verschärft. Die Gründe, warum jemand überhaupt in der Armut landet, sind so vielschichtig wie komplex: der Verlust der Arbeitsstelle, Krankheit und zu hohe Gesundheitskosten, ein Unfall oder die Flucht in ein anderes Land sind häufig genannte Ursachen.

 

Das Gespräch mit Darja Baranova findest du auf unseren Instagram- und Facebook-Kanälen.

 

Du suchst einen Übernachtungsort oder kennst jemanden, der einen sucht?

So findest du das Nemo:

Döltschiweg 177
8055 Zürich
📞 044 537 58 70
📧 nemo@swsieber.ch
💻 www.nemohilft.ch
Instagram: @sozialwerkpfarrersieber